Zum Video | Zur Fotogalerie | Einladend wirkt die
alte Zelle im Norder Polizei-Kommissariat am Markt 38 nicht – aber
wenn man sie betritt und der Blick durch gitterloses Schutzglas auf
die Ludgerikirche fällt, machen manch düstere
Klischee-Vorstellungen einer gewissen Heiterkeit platz. Seit 1998 ist
die alte Zelle der Norder Polizei nicht mehr im Dienst. Hier saßen
die heimischen Langfinger, Trunkenbolde und andere zwielichte
Gestalten 25 Jahre lang ein, bevor der Haftraum den aktuellen
Sicherheitsbestimmungen nicht mehr genügte.
Ingo Brickwedde, Leiter
des Kommissariats Norden,
und Reinhard Simmuteit öffneten
mir im Juni 2014 diesen
verborgenen Ort und hatten
eine Menge zur Geschichte Ihrer Dienststelle, die am 17. Januar 1982
in das ehemalige Finanzamtsgebäude einzog, zu erzählen. Zunächst
aber, als die schwere Zellentür entriegelt wurde,
eilten
Kollegen aus den umliegenden Büros herbei, um auch einmal einen
Blick in den sonst verschlossenen Raum werfen
zu können.
Die
Zelle ist durchgehend in Türkis gestrichen, zwei große helle
Fenster
lassen eine Menge Licht in den sterilen Raum. „Zuletzt genügte die
Zelle nicht mehr den Sicherheitsbestimmungen,“ so PK-Leiter Ingo
Brickwedde. „Auch war der Weg vom Markt 10 - der Polizeidienstelle,
bis zum Markt 38 - dem Kommissariat, quer über den Marktplatz, nicht
wirklich
von
Vorteil.“
Die Beleuchtung des Haftraums ist hinter einem Sicherheitsglas in der
Wand eingelassen, der Heizkörper gleichermaßen durch eine Platte
geschützt - in der Wand versenkt - zur Sicherheit, damit sich kein
Insasse an Teilen zu schaffen machen, oder an Kanten verletzen
konnte. Eine Klingel, die im Übrigen noch funktioniert und beim
testhalber Betätigen für verwunderte Aufmerksamkeit am Ende des
Klingeldrahtes sorgte, diente der Kommunikation im Notfall.
Einziges unverrückbares Möbel, hier im alten Norder Knast, ist eine
Holzkiste im Form eines Bettes. Sie bot den Häftlingen die
Möglichkeit sich in dessen Holz für alle Zeiten zu verewigen und
späte Erkenntnisse wie etwa: „Bankraub lohnt nicht“, für die
Nachwelt zu hinterlassen. Aber nicht alle Spitzbuben waren einsichtig, wie der Spruch
„Einbrüche lohnt sich“ belegt. Ob der Gesetzesbrecher, der „Zum letzten Mal jetzt Knast“ in das
Holz ritzte, später vielleicht doch noch mal hier verweilte, wer
weiß
Bevor
die Norder Gauner in diesem ausbruchssicheren Raum saßen, wurden
hier die Finanzen der Stadt verwaltet. Vom Finanzamt zur Zelle - und
das nach einer wirklich langen Zeit der Gastlichkeit - des
ursprünglichen Hotel-Restaurants Weinhaus, welches seit dem Jahr
1539 über 260 Jahre beliebter Treffpunkt der Norder war und
Auswärtige beherbergte. Kein Wunder, dass manch ein Trunkenbold hier
viel später noch seinen Rausch ausschlief – in einer Zelle, die
vor langer Zeit als Fremdenzimmer diente, während noch
Pferdekutschen durch die Norder Straßen fuhren. Doch nun hat die
Gastlichkeit vorerst ein Ende, denn heute dienen vier
modernere Zellen als Unterbringung der Straftäter - in der
Polizeidienststelle auf der anderen Seite des Marktes.