Zum Film | Zur Fotogalerie | Er ist allen Ostfriesen bekannt – der Tortum des Lütetsburger Schlosses der Grafen zu Inn- und Knyphausen. Imposant sticht er aus der Vorburg hervor und wacht über die Einfahrt in die von Burggräben umgebene Schlossanlage. Und obwohl jeder Besucher diesen Turm kennt, hat noch keiner von ihnen einen Fuß in sein Innerstes gesetzt. Was verbirgt sich in dem alten Gemäuer?
Beim Betreten der unscheinbaren Türe des Turms verlässt man die hektische Zeit der Moderne. Eine steile, von dickem Staub eingedeckte Treppe führt über einen kleinen Flur in die erste Etage. Man muss sich an einem schweren Tau emporhangeln, um sicheren Schrittes die Steigung zu überwinden.
Schon beim Aufstieg fallen dem wachen Beobachter viele vom Fortschritt der Zeit vergessene Details auf. Hier wurde seit Langem nichts berührt und verändert.
Im ersten Stockwerk erwartet den Entdecker ein romantischer Raum: In einer der Straße zugewandten Ecke befindet sich ein offener Kamin. Ich stelle mir vor, wie sich Wachemänner an kalten Wintertagen des frühen 18. Jahrhunderts an dem prasselnden Feuer wärmten und heiße Getränke zu sich nahmen. Aber auch zu späterer Zeit wurden hier Feuer entfacht. Der Schlossherr Tido Graf zu Inn- und Knyphausen erzählte mir, wie er in Kindertagen hier verstecken spielte und manches Mal auch ein Feuer entzündete.
Die Stiege zum zweiten Stock ist noch steiler als die Erste. Nach ihr betritt man einen Raum, der noch heute das Uhrwerk aus vergangenen Tagen beherbergt, welches in den 80ger Jahren allerdings zur Ruhe kam. Der Zeiger steht seit bald drei Jahrzehnten auf 11.36 Uhr.
Ein Stuhl, der nicht all zu historisch ist, steht vor einem zum Schloss gerichteten Fenster und lädt ein, einen ruhigen Moment zu finden.Von hier aus blickt man in den Dachstuhl des Turms. Der Blick fällt auf die kunstvollen Arbeiten längst verstorbener Zimmermänner. Über eine Leiter erreicht man eine kleine Luke, die zum Glockenturm ins Freie führt.
Durch den Torturm des Lütetsburger Schlosses schritten schon namhafte Persönlichkeiten wie Theodor Fontane, Wilhelm Busch und diverse königliche Häupter. Er überstand einen großen Brand, erlebte den ersten und zweiten Weltkrieg und hielt im Letzteren der Bombardierung des Schlosses und seiner Parkanlage stand.Schön, dass es noch solche verborgenen Orte gibt und wer weiß, was sie in Zukunft noch für Geschichten erzählen werden.
Die Geschichte des Torturms
Als der ostfriesische Häuptling Lütet Manninga zwischen 1373-77 sein Stammhaus in Westel in der Leybucht aufgrund verheerender Sturmfluten verlor, ließ er den in Familienbesitz befindlichen „Uthoff“ zum Wasserschloss „Lützborch“ ausbauen. Zu dieser Zeit dachte noch niemand an einen Torturm. Später, im Jahr 1588, gelangte das Schloss durch die Heirat der Erbtochter Hyma Manninga an den Reichsfreiherrn Wilhelm von Inn- und Knyphausen aus dem Jeverland - die Vorburg des Schlosses stammt in ihrer Grundform aus dieser Zeit, der imposante Torturm allerdings, wurde erst später im Jahr 1740 von Carl-Philipp Freiherr zu Innhausen und Knyphausen, errichtet. Vor dem Bau des Turmes war der Zugang zum Schloss auf der Westseite der Anlage zu finden, welcher in heutiger Zeit nicht mehr genutzt wird.